Auf dem Schweizer Immobilienmarkt hat sich im 2021 ein Trend akzentuiert: die totalen Kapitalgewinne auf Immobilienanlagen waren erstmals wieder attraktiver als der direkte Immobilienbesitz mit seinen Cashflow-Renditen durch Mietzinseinnahmen. Das letzte Mal passierte dies vor etwa 20 Jahren. Auf was haben sich jetzt Marktteilnehmer einzustellen?
Bei Immobilieninvestitionen spielt der Renditespread, etwa zwischen risikofreien Staatsanleihen und der laufenden Ertragsrendite durch Mieteinnahmen, eine zentrale Rolle. Dieser Spread ist der zusätzliche Gewinn, den ein Investor erzielt, wenn er sich statt für eine risikoarme Anlage für ein Investment mit höherem Risiko entscheidet.
Im konkreten Fall in der Schweiz sieht das so aus: Bundesobligationen mit einer zehnjährigen Laufzeit bringen zurzeit einen Zinsertrag in Höhe von 1,20 Prozent (22. Sept. 2022). Damit hat nun ein fast sieben Jahre dauernder Zyklus mit Negativzinsen bei den «zehnjährigen Eidgenossen» sein Ende gefunden. Doch im Umkehrschluss sind Immobilieninvestments nun nicht mehr so ausserordentlich attraktiv. Der Renditespread, der in der Spitze bis zu 3,5 Prozentpunkte (= 350 Basispunkte) betrug, schmilzt zusammen und liegt nunmehr teils deutlich unter 100 Basispunkte.
Quelle: Swiss Life Asset Manager
Märkte rechnen mit weiterer Inflation
Beim Blick nach Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild, wenn auch gleich deutlich akzentuierter: Nimmt man dort als Basiszinssatz die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen betrug der Renditespread im ersten Quartal 2022, zum Beispiel für Büroimmobilien in Berlin, 220 Basispunkte. Das ist die Differenz aus einer Nettoanfangsrendite von 2,4 Prozent für Bestandsgebäude dieser Art und dem Basiszinssatz von 0,2 Prozent. Mittlerweile werden die deutschen Staatsanleihen mit 1,9 Prozent verzinst (22. Sept. 2022). Ergo: Der Renditespread beträgt nunmehr nur noch 50 Basispunkte.
Der Anstieg bei den Renditen von Staatsanleihen ist vor allem Ausdruck der Markterwartungen einer höheren Inflation in den nächsten Jahren. Zugleich haben die Zentralbanken eine Trendwende eingeleitet. So wurden die Leitzinsen bereits von der Federal Reserve Bank in den USA, von der Bank of England, der Bank of Canada und auch der People’s Bank of China erhöht. Auch die Schweizerische Nationalbank und die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main reagierten jüngst mit zwei Erhöhungen, so dass die festgelegten Zinsen der SNB nun bei +0,5 Prozent und bei der EZB bei +1,25 Prozent liegen. Angesichts der weiterhin hohen Inflationsraten werden weitere Zinsschritte bereits von den Märkten erwartet und auch bereits eingepreist.
Die Ausnahme von der Regel?
Wie sich die jüngsten Basiszinserhöhung auf die Zahlungsbereitschaft von Investoren für Immobilien auswirken wird, kann derzeit nicht abschliessend eingeordnet werden. Das Preisniveau von Immobilien in der Schweiz ist weiter stabil, teils auch mit durchaus steigender Tendenz. Verschiedene neue Rahmenfaktoren müssen jetzt aber schnell eingerechnet werden. Dies dürfte auch Folgen für die Immobilienfinanzierung haben. Denn jetzt kommt es mehr und mehr auch wieder auf die Stellen hinter dem Komma an, um Projekte ordentlich aufzugleisen. Eines ist aus der Wirtschaftshistorie jedenfalls gewiss: der enge Zusammenhang zwischen den Renditen von direkten Immobilienanlagen und jenen von Staatsanleihen.
Experten gehen davon aus, dass Investitionen in Immobilien oft auch wegen des Faktors Inflationsschutz getätigt werden. Dies vor allem dann, wenn Immobilienpreise und Mieterträge stärker wachsen als die Konsumentenpreise. Diese Annahme trifft in der Realität sehr häufig, aber eben nicht immer zu. Und wie es derzeit scheint, kommen wir in eine wirtschaftliche Phase bzw. befinden wir uns vielleicht schon darin, wo wieder einmal die Ausnahme die Regel bestätigt.