Die Welt: Wie Loanboox den Markt für Kommunal-Kredite umkrempelt

by | Sep 5, 2018 | Finanzieren, Medien

Kommunalfinanzierung

Stefan Mühlemann hat einst Devisen für UBS Warburg gehandelt, für seinen eigenen Lieferdienst in Basel hinterm Herd gestanden und Wohnungen in London durch Schweizer Spezialisten renovieren lassen. Sein nächstes Projekt: die Finanzierungsgewohnheiten der Städte verändern.

Mit seinem Fintech Loanboox hat er Gemeinden und anderen öffentlichen Schuldnern aus der Schweiz und Deutschland bereits Kredite über 6 Milliarden Franken vermittelt, wie der 46-Jährige im Interview mit Bloomberg berichtet. Auf der Internet-basierten Plattform der Firma bekommen sie die Möglichkeit, Kreditanfragen zu stellen. Banken und institutionelle Investoren wie etwa Versicherungen können sich als Darlehensgeber anbieten. Werden sich beide Seiten einig, schließen sie über die Plattform miteinander einen Vertrag ab.

Bisher wurden Kreditanfragen im Volumen von mehr als 14 Milliarden Franken gestellt, fast die Hälfte davon auch realisiert

sagt der CEO und Gründer.

Inzwischen drängen auch traditionelle Finanzdienstleister auf den Markt für digitale Kommunalkredite. So hat sich die Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale gemeinsam mit Lucht Probst Associates die Plattform Komuno gegründet. Und die Schweizer Vontobel Holding AG steht hinter dem Portal Cosmofunding. Beide Angebote sind diese Woche gestartet.

Banken mit Interesse bei Finanzierungsrunde

Loanboox ist seit zwei Jahren in der Schweiz aktiv, seit neun Monaten in Deutschland. In den nächsten Wochen soll es in Österreich und Frankreich losgehen. Gleichzeitig wächst die Produktpalette.

Städte und Gemeinden werden mit der Aussicht gelockt, bessere Konditionen zu bekommen. Mühlemann: „Die Beschaffungskosten der Finanzierungen sind bei uns bis zu 90 Prozent niedriger“. Statt beispielsweise mehrere Banken anzurufen und sich Angebote einzuholen, könnten die Gläubiger sämtliche Prozesse auf der Plattform per Mausklick und in kürzester Zeit abwickeln.

Auch wenn Mühlemann mit seinen Angeboten typische Erlösquellen von Banken beschneidet, sieht er sein Unternehmen nicht als deren Konkurrent:

Bei einem Viertel der Kreditgeber, die auf der Plattform aktiv sind, handelt es sich immerhin um Banken.

Bei Loanboox haben sich inzwischen 800 Kreditnehmer und 300 Kreditgeber angemeldet, rund 180 beziehungsweise 70 davon in der Bundesrepublik. „Mit dem Start in Deutschland sind wir sehr zufrieden“, erklärt Mühlemann. „Die Finanzierungsfragen entwickeln sich ähnlich wie damals zum Anfang in der Schweiz. Allerdings dauert es in Deutschland etwas länger, bis sich Kapitalgeber anmelden.“

Breakeven ist für das Jahr 2021 geplant

Seit fast einem Jahr nutzt die Stadt Winterthur die Plattform „regelmäßig für kurzfristige Finanzierungen von Beträgen zwischen 10 Millionen und 60 Millionen Franken neben anderen Finanzierungskanälen. In über drei von vier Fällen realisierten wir die besten Angebote über Loanboox.“ sagt Martin Pöhland, Leiter der Finanzbuchhaltung.

Während für Deutschland zehn lokale Mitarbeiter in Köln angestellt wurden, kooperiert Loanboox in Österreich mit dem Portal Kommunalnet, hinter dem unter anderem der Österreichische Gemeindebund steht. „Da der Markt vergleichsweise klein ist, haben wir hier einen anderen Ansatz gewählt. Ansprechpartner für die Gemeinden ist Kommunalnet“, sagte Mühlemann.

Geld verdient Loanboox, indem es den Kapitalsuchenden eine Gebühr von 0,01 Prozent des Kreditbetrags in Rechnung stellt. Für Darlehensgeber ist das Angebot kostenlos. Die Bonität der Parteien prüft Loanboox nicht. Entsprechende Dienste lassen sich auf der Plattform über Drittanbieter hinzukaufen.

Momentan läuft die Series-B-Finanzierungsrunde, um die europäische Expansion zu finanzieren. „Das Interesse ist groß. Die Runde entwickelt sich gut“, sagt Mühlemann. Derzeit halten die Gründer knapp 80 Prozent der Anteile. Auch nach der Runde wollen sie Mehrheitseigner sein.

Das Breakeven ist für 2021 geplant. Dazu sagt Mühlemann:

Sollten wir uns entscheiden, auch auf andere Kontinente zu gehen, wird sich das entsprechend nach hinten verschieben. Doch wir dürfen uns natürlich auch nicht überheben.

Quelle: Die Welt

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