ew Spezial: Digitale Technologien bieten neue Wege der Kreditaufnahme

by | Nov 23, 2018 | Finanzieren, Medien

Gastbeitrag von Georg Habighorst in Sonderausgabe Stadtwerke

Die Energiewende stellt Stadtwerke vor finanzielle Herausforderungen: Umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, in den Netzausbau und in die kommunale Infrastruktur führen zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf. Um diesen zu decken, kann es unter Umständen notwendig werden, neben der klassischen Finanzierung durch Banken und Eigenkapital auch auf neue Finanzierungsinstrumente und
-partner zu setzen.

Die Mehrheit der Stadtwerke plant kurz- und mittelfristig zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, primär zur Finanzierung von Investitionen in erneuerbare Energien und in die Netzinfrastruktur. Das zeigen mehrere Stadtwerke-Studien des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig aus den vergangenen Jahren. Abhängig von ihrer Umsatzgröße variiert der aus der Energiewende resultierende Finanzierungsbedarf zwischen 300 Mio. €. Zur Deckung dieses Finanzierungsbedarfs ist das klassische Bankdarlehen nach wie vor das favorisierte Finanzierungsinstrument – und wird es in der Tendenz auch noch einige Zeit bleiben. Gleichwohl spielen alternative Kapitalmarktinstrumente eine – wenngleich noch untergeordnete – Rolle.

Mit Kreditplattformen den Finanzierungsadressatenkreis erweitern

Ein Beispiel sind Internet-basierte Kreditplattformen, die den gesamten Prozess der Finanzierung von der Anfrage bis zum Kreditabschluss digital abbilden. Diese Plattformen – die größtenteils von unabhängigen Fintechs wie dem Unternehmen Loanboox betrieben werden – erfüllen bereits für Städte und Gemeinden eine transaktionssparende Vermittlungsfunktion. Auch Stadtwerke können derartige »Marktplätze« verstärkt nutzen, um von den Vorteilen der digitalen Kreditaufnahme zu profitieren.

Entscheidende Mehrwerte sind der direkte Zugang zum Kapitalmarkt, eine leichte Handhabe und eine hohe Transparenz der jeweiligen Transaktionen. So bekommen Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen die Möglichkeit, mit wenigen Klicks Kreditanfragen zu stellen. Die vollständige Digitalisierung des gesamten Finanzierungsprozesses, der früher bis zu mehreren Wochen dauern konnte, reduziert den Aufwand für alle Beteiligten auf wenige Minuten. Für die Freischaltung auf der Plattform müssen die Kreditnehmer verschiedene Daten zum Unternehmen angeben – unter anderem sind hierbei Name, Postanschrift sowie Kontaktdaten der zeichnungsberechtigten Personen erforderlich. Im Anschluss an die Verifizierung dieser Daten kann das Stadtwerk Profile für Mitarbeiter anlegen und ihre Finanzierungsanfragen auf dem Marktplatz platzieren. Zusätzlich zur Registrierung ist die einmalige Bereitstellung der wichtigsten Kerndaten des Unternehmens und aktueller Geschäftszahlen verpflichtend für die Nutzung der Plattform. Hierdurch soll den Kreditgebern eine bessere Vergleichbarkeit und eine einheitliche Übersicht über die aktuelle Finanzsituation des Stadtwerks ermöglicht werden.

Im Anschluss können die Kreditnehmer ihren Finanzierungsbedarf ausschreiben. An die Plattform angeschlossene überregionale Banken und institutionelle Investoren wie Versicherungen, Versorgungswerke oder Pensionskassen haben die Möglichkeit, sich als Darlehensgeber anzubieten und verbindliche Angebote zu machen. Alle abgegebenen Finanzierungsangebote sind für den Kreditnehmer erst nach Ablauf einer Eingabefrist einsehbar. Diese folgen dabei einer vorgegebenen Informationssystematik. Sowohl die Zinskonditionen als auch die jeweiligen Vertragsparameter werden auf der Plattform vergleichend dargestellt. Hohe Transparenz erleichtert somit die Auswahl des gewünschten Finanzierungsangebots. Denkbar ist es, dass der Kreditgeber eine Kreditanfrage auch nur teilweise bedienen möchte, sodass der Kreditnehmer den insgesamt gewünschten Kreditbetrag von mehreren Geldgebern erhält und nicht nur von einem. Auf diese Weise können mit mehr als einer Adresse stabile Geschäftsbeziehungen für künftige Geschäfte aufgebaut werden.

Rechtsgültiger Kreditvertrag wird direkt auf Plattform abgeschlossen

Bei einer Zusage wird der Vertrag zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber direkt auf der Plattform abgeschlossen und die Zahlungen erfolgen zwischen den beiden Parteien. Die Plattform vermittelt zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber, ist selbst jedoch keine Vertragspartei. Auch die Kreditprüfung erfolgt direkt über die Kreditgeber, die alle zur Kreditvergabe berechtigte, institutionelle Investoren sind. Das Mindestvolumen für eine Finanzierung startet bei 500 000 € und ist nach oben offen. Laufzeiten bewegen sich zwischen wenigen Tagen bis über 40 Jahre. Im Hinblick auf die finanziellen Herausforderungen durch die Energiewende und den aktuell diskutierten Limitationen bezüglich der Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals können onlinebasierte Finanzierungsplattformen kommunalen Unternehmen helfen, eine breite Basis für ihre Fremdkapitalfinanzierung zu schaffen und die eigene Prozesseffizienz zu steigern.

Quelle: EW Magazin für die Energiewirtschaft

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