Handelsblatt: Parship für Kommunen – Loanboox bringt Gemeinden und Geldgeber zusammen

by | Mrz 21, 2019 | Medien

Auf Stefan Mühlmanns Plattform werden Kredite an öffentliche Schuldner vermittelt. Nun will er den deutschen Markt aufmischen – doch das ist gar nicht so einfach.

Die Idee kam Stefan Mühlemann im Liegestuhl. „Wenn sich auf Plattformen im Internet alles Mögliche vermitteln lässt, weshalb dann nicht auch Kredite für Gemeinden?“, fragte er sich.

Aus dem fixen Einfall während eines Familienurlaubs machte der Schweizer ein Geschäftsmodell: Sein Start-up Loanboox bringt öffentliche Schuldner und Geldgeber zusammen – wie Parship für Kommunen. Mit seinem virtuellen Kreditbuch macht Loanboox auch den Banken Konkurrenz.

Mit frischem Geld, das er gerade eingesammelt hat, möchte der Mittvierziger nun den deutschen Markt aufmischen. Doch Experten zufolge dürfte der Siegeszug von Kreditplattformen wie Loanboox in Deutschland schwierig werden. Denn viele Amtsstuben sind noch gar nicht bereit für den digitalen Wandel.

Dabei ließen sich die Kredite viel leichter digital abwickeln, glaubt Firmengründer Mühlemann. Schuldner wie Städte, Gemeinden oder Stadtwerke gelten zumeist als kreditwürdig und haben ähnliche Finanzierungsbedürfnisse. „Gemeindekredite sind heute eine Commodity, also sozusagen Standardware“, sagt der Loanboox-Chef. „Und deshalb gehören sie auf eine Plattform.“ Öffentliche Schuldner können auf Loanboox eine Finanzierungsanfrage stellen. Profiinvestoren, also etwa Banken oder Versicherungen, geben Angebote für Darlehen ab. Wenn ein Deal zustande kommt, schließen beide Seiten einen Vertrag auf der Plattform – und ein kleiner Teil der Emissionserlöse fließt in die Taschen von Loanboox.

Namhafte Investoren

Seit der Gründung hat das Start-up nach eigenen Angaben Kredite über rund zehn Milliarden Franken vermittelt. In der Schweiz kommt das Angebot der Firma gut an. „Wir sind mit Loanboox sehr zufrieden und nutzen es regelmäßig“, sagt Daniel Kretz, der die Finanzen der 3500-Seelen-Gemeinde Berneck verantwortet. Kretz lobt die einfache Handhabung und die Unterstützung durch die Mitarbeiter des Unternehmens.

Mit der Unterstützung namhafter Investoren will Loanboox nun weitere Märkte erobern – allen voran Deutschland. In der jüngsten Finanzierungsrunde sammelte Gründer Mühlemann rund 20 Millionen Euro ein. Damit wird sein Start-up mit 110 Millionen Euro bewertet. Loanboox hätte wohl noch mehr Geld einsammeln können, doch Mühlemann wollte sich seine Freiheiten bewahren: Der Gründer und sein Team halten derzeit noch 70 Prozent der Anteile.

Es ist ein charmanter Ansatz, Investoren direkt mit Kommunen zusammenzubringen.

Zu den Geldgebern zählen nicht nur Business-Angels wie der BayernLB-Chef Gerd Häusler und die Beraterlegende Roland Berger. Auch die Liechtensteiner LGT Gruppe und die DKB, eine Tochter der Bayerischen Landesbank, sind mit von der Partie. „Die Plattformökonomie wird in Zukunft auch das traditionelle Finanzierungsgeschäft mit der öffentlichen Hand in Europa verändern“, sagt DKB-Vorstand Thomas Jebsen. Daran wolle die Bank teilhaben. Loanboox wird also von Banken finanziert – und macht ihnen gleichzeitig Marktanteile streitig. Mühlemann spricht von einer „Mischung aus Konkurrenz und Kooperation“. Denn die Banken sind auch seine Kundschaft. Rund ein Drittel der Kredite auf der Plattform werden von Kreditinstituten vergeben, in Deutschland gar zwei Drittel.

Wachstum in Deutschland gilt als schwierig

Dem Schweizer könnte helfen, dass er die Bankenbranche kennt: Mühlemann arbeitete einst als Devisenhändler für den Schweizerischen Bankverein, der heute ein Teil der Großbank UBS ist. Seine erste Firma gründete Mühlemann im Alter von 23 Jahren – und das gewissermaßen aus Futterneid: „Die Kollegen im Londoner Handelsraum konnten sich wunderbares thailändisches oder indisches Essen bestellen“, erinnert sich Mühlemann.

In Basel habe es dagegen nur Pizza oder Sandwiches gegeben. „Also habe ich einen Lieferservice aufgebaut und mir nach Feierabend die Schürze umgebunden.“ Seinen Anteil hat Mühlemann inzwischen verkauft, doch den Lieferservice gibt es noch immer.

Heute serviert Mühlemann mit Loanboox lieber Kredite. Drei Jahre nach der Gründung beschäftigt das Start-up 45 Mitarbeiter, davon 14 in Deutschland. „Wir wollen in Deutschland weitere Kapazitäten aufbauen und mehr deutsche Kunden gewinnen“, sagt Mühlemann. Das Wachstum auf dem deutschen Markt gilt als schwierig. Einige Kredite haben die Schweizer für deutsche Kommunen aber schon vermittelt. Bei Loanboox ist von einer „mittleren zweistelligen Anzahl“ die Rede.

Doch der Wettbewerb ist enorm. Mit Capveriant, Commnex, Firstwire und Komuno gibt es gleich vier Konkurrenten. Obendrein halten sich viele Kommunen in Deutschland angesichts der neuen Möglichkeiten zurück. Ihre Verwaltung – und auch die Kreditaufnahme – ist vielfach noch gar nicht so weit.

Transparenz im Markt

„Es ist ein charmanter Ansatz, Investoren direkt mit Kommunen zusammenzubringen und in dem Markt mehr Transparenz zu schaffen“, sagt Nils Beier von der Unternehmensberatung Accenture. Doch womöglich seien die Fintechs für den deutschen Markt schlicht zu früh gestartet. „Viele deutsche Kommunen haben ihre Finanzierung noch nicht so digitalisiert, dass sie das über Plattformen organisieren können.“

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Für Loanboox könnte sich Branchenkennern zufolge auch der Einstieg der Direktbank DKB als hinderlich erweisen – schließlich zählt mit ihr nun eine Bank zu den Anteilseignern der Plattform, wenn auch im kleinen einstelligen Prozentbereich. Kritiker sehen die Unabhängigkeit von Loanboox gefährdet. Mühlemann sieht im Einstieg der Bank jedoch kein Problem. Sein Versprechen: „Wir bleiben neutrale und ‧unabhängige Vermittler.“

Jetzt müssen sie mehr Geschäft auf die Plattform bringen, um profitabel zu werden. Denn bei der Gemeindefinanzierung geht es zwar meist um Millionenbeträge, bei Loanboox bleibt aber nur ein Bruchteil hängen. Die übliche Marge liegt bei gerade mal einem Basispunkt, also 0,01 Prozent der Finanzierungssumme.

Noch ist das Start-up defizitär, doch Mühlemann glaubt fest an den Erfolg seiner Idee: „Spätestens im Jahr 2021 wollen wir die Gewinnschwelle erreichen“, sagt der Schweizer.

Bis Mühlemann die nächste Firma gründet, könnte es also noch ein bisschen dauern. Trotz seiner Projekte darf die Freizeit für den zweifachen Familienvater nicht zu kurz kommen. „Die besten Ideen hat man nicht im Büro, sondern wenn man mal richtig abschalten kann“, sagt er. Zum Beispiel im Liegestuhl.

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