Rheinische Post: Digitale Hilfe für klamme Kommunen

by | Apr 15, 2019 | Einblick, Medien

Das Einholen von Kreditangeboten ist für Kommunen mit viel Aufwand verbunden. Das Start-up Loanboox will dies über eine digitale Plattform vereinfachen – und profitiert speziell in NRW von der hohen Verschuldung der Städte.

Wenn Politiker und Wirtschaftsförderer für den Standort NRW werben, dann ist oft die Rede von der Hochschuldichte, den guten Anbindungen ans Autobahnnetz, den vielen potenziellen Firmenkunden direkt vor der Haustür. Das Argument von Stefan Mühlemann hört man hingegen nie: „NRW ist als Standort für uns ideal. Es gibt hier viele Städte mit einer hohen Verschuldung.“

Mühlemann ist Gründer des Schweizer Start-ups Loanboox, einer Plattform, die sich auf die Vermittlung von Krediten für Städte und Kommunen spezialisiert hat. Von Köln aus versucht das Start-up seit Oktober 2017 auch den deutschen Markt zu erobern – mit ungewöhnlichen Maßnahmen.

Zwar vermittelt auch das Büro nahe dem Kölner Dom die typische Start-up-Atmosphäre, aber zwischen all den jungen Menschen in Kapuzenpullover und Turnschuhen sitzt auch ein Mann wie Alfred Lobers. Der 71-Jährige war bis 2013 Kämmereileiter bei der Stadt Wuppertal, nun hilft er beim Aufbau des Loanboox-Betriebs. Lobers kennt das Geschäft mit den Schulden wie kaum ein anderer, immerhin schiebt auch die Stadt aus dem Bergischen einen Schuldenberg von knapp zwei Milliarden Euro vor sich her. „Solche Summen wickelt man nicht über eine einzige Bank ab“, sagt Lobers, „während meiner Zeit hatten wir knapp 150 verschiedene Kreditverträge.“

Das Schulden-Management bindet viele Kapazitäten in den Kommunen. Mitarbeiter müssen abschätzen, wie sich die Zinsen künftig entwickeln, bei verschiedenen Banken Angebote einholen und anschließend vergleichen – und das alles noch ziemlich analog. „In den 90er-Jahren haben die städtischen Mitarbeiter die Banken noch angerufen und Zinssätze abgefragt, später ging das dann per Fax, heute per E-Mail“, sagt Alfred Lobers: „Die verschiedenen Angebote aufzulisten, ist aber immer noch ein großer Arbeitsaufwand – und sehr fehleranfällig.“

Dieses Problem will Loanboox lösen. Über die Plattform können Kommunen und Kreise mit ein paar Klicks verschiedene Angebote einholen, für die sie früher stundenlang hätten recherchieren müssen.
Stefan Mühlemann war 2015 im Urlaub auf Teneriffa, als ihm die Idee zu dem Start-up kam. Der Schweizer war früher Devisenhändler und hatte schon vorher Unternehmen aufgebaut, unter anderem die Beratung Pro Ressource. „Da haben wir bereits große Schuldensummen, zum Beispiel von Spitälern optimiert“, sagt Mühlemann bei einem Treffen in Köln. Und warum sollte das, was bei Krankenhäusern funktioniert, nicht auch bei Kommunen möglich sein? „Ich habe gedacht: Dieses Geschäft gehört auf eine Plattform.“

300 Landkreise, Städte und Kommunen nutzen Loanboox nach Firmenangaben inzwischen in Deutschland, ein Drittel davon aus NRW. Dazu kommen 100 Kreditgeber – von der Bank bis zur Versicherung. Insgesamt habe das Start-up, das auch in der Schweiz, Österreich und Frankreich aktiv ist, knapp 1100 Kreditnehmer sowie 370 Kapitalgeber auf der Plattform. sagt Mühlemann. Finanzierungen in Höhe von rund 17,5 Milliarden Euro seien seit dem Start der Plattform 2016 angefragt worden.

An das Geschäft glauben offenbar auch die Investoren. 20 Millionen Euro konnte das Start-up zuletzt in einer sogenannten Series-B-Finanzierungsrunde einsammeln, unter anderem von der Deutschen Kreditbank (DKB) und der Liechtensteiner LGT Gruppe. Das Unternehmen wurde dabei mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet. Trotz der großen Summe halten der Gründer und sein Team nach eigenen Angaben noch rund 70 Prozent der Anteile.

Das Geld, sagt Mühlemann, soll bis 2021 reichen, bis dahin will das Unternehmen auch schwarze Zahlen schreiben. „Wir haben heute sogar eine Warteliste bei Investoren, die wir aus strategischer Sicht vielleicht langfristig aufnehmen werden“, freut sich Mühlemann. Bei den Kunden auf der Plattform, räumt er ein, ist das Geschäft hingegen speziell am Anfang noch schwierig: „Viele Kämmerer sind vorsichtig und trauen der neuen Technik nicht“, sagt der Gründer: „Aber gleichzeitig stellen wir fest: Wer einmal über uns einen Kredit abgeschlossen hat, macht es danach wieder.“

Um die Bedenken bei den Verantwortlichen abzubauen, gibt es Alfred Lobers. Er stellt das Geschäft bei Veranstaltungen vor, die für Außenstehende nicht besonders sexy klingen. Zum Beispiel in Lünen, wo zuletzt die Herbsttagung des Kämmererverbandes NRW stattfand. „Uns kannten noch nicht viele da“, sagt Lobers: „Aber als die Leute meine Verwaltungssprache gehört haben, hatten wir ganz schnell neue Kontakte.“ Verwaltungssprache als Verkaufsargument – auch das hört man selten.

Quelle:  Rheinische Post

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